Ich habe den Podcast von Tupoka Ogette (Tupodcast) gehört. In Folge 2 (schon!) muss sie die Anfragen (von zwei weißen Männern!) beantworten, warum sie keine weißen Männer in ihren Podcast einlädt. Ganz einfach: Deren Perspektive ist die gesellschaftliche Norm. Ist unser aller Alltag. Bestimmt alle unsere Sichtweisen. Wikipedia-Artikel werden vor allem von weißen Männern geschrieben. Regisseure von (gut bezahlten, erfolgreichen) Filmen sind meist weiße Männer. Die Menschen, die die Gesetze machen oder gemacht haben sind weiße Männer. Und so weiter und so fort… Und weil das die bestimmende Sichtweise ist, werden Perspektiven von Schwarzen Menschen und People of Color negiert, als „anders“ und abweichend gewertet – ihnen wird die Perspektive ab- und der Sichtweise widersprochen...
Deshalb – so Tupoka Ogette – braucht es Räume (wie ihren Podcast), in denen unwidersprochen die eigene Sichtweise Bestand haben kann. Räume, in denen die eigenen Erfahrungen nicht abgesprochen werden, in denen die eigene Sichtweise nicht ins Lächerliche gezogen oder klein gemacht oder heruntergespielt wird. Räume in denen Verständnis herrscht und Wertschätzung. Das heilt und lässt durchatmen.
Tupoka Ogettes Worte haben mich getroffen, wie ein Schlag: Ich bin nicht Schwarz. Ich bin eine weiße Frau – krass privilegiert – und trotzdem löst die klare Abgrenzung (oder besser: Eingrenzung?) die Tupoka Ogette für ihre Gäst*innen im Podcast vornimmt eine tiefe Sehnsucht bei mir aus: Eine Sehnsucht nach einem solchen Ort an dem mir nicht widersprochen wird. Ein Ort, an dem ich anderen widersprechen kann. Ein Ort, an dem ich mich nicht selbst, meine Werte und meine Sichtweisen verleugne, um keine negative Reaktion befürchten zu müssen. Ein Ort, an dem ich sagen und (öffentlich) zeigen kann, wie und wer ich wirklich bin.
Ohne dass mir meine Kompetenz abgesprochen wird. Ohne einen belustigten Gesichtsausdruck zu sehen. Ohne belehrt zu werden. Ohne in eine abwertende Schublade gesteckt zu werden. Ohne ein Kopfschütteln zu ernten. Ohne einen Gesprächsabbruch zu riskieren. Ohne direkt beleidigt, verspottet, niedergebrüllt und bedroht zu werden…Einen Ort, an dem es nicht darum geht, mich (bewusst oder unbewusst) mundtot zu machen, um die eigene Weltsicht nicht in Frage stellen zu müssen.
Wo finde ich solche Orte? Folgende (öffentliche) „Räume“ sind mir eingefallen:
Podcasts: Reden können, ohne dass mir eine andere Person dazwischenquatscht, wenn ich das nicht will. Zeichnungen: Die Zeichnung ist schon fertig, bevor mir jemand reingrätschen und widersprechen kann. Vorträge: am besten ohne eine Diskussion am Ende. Gedichte: Texte ohne Unterbrechung von außen. Filme/Videos: auch der Film ist schneller fertig, als jeman(n)d „aber…“ sagen kann!
ABER…wird jetzt irgendjeman(n)d sagen (der nicht gemerkt hat, dass das hier auch einer meiner Räume ist, in denen mir nicht widersprochen wird): ABER! Wie soll denn dann Meinungsbildung passieren? Wenn kein Diskurs stattfindet? Wenn Sichtweisen nicht verglichen werden? Wenn ich (dieser Jeman(n)d) meine Meinung nicht äußern darf?
Sorry (not sorry): Deine Meinung zählt an diesem meinem Sehnsuchts-Ort nicht. Deine Sichtweise ist mir da nicht wichtig. Das findet an meinem Ort nicht statt, an dem ich unwidersprochene Dinge sage! Ich setze mich in meiner Arbeit, in meiner Freizeit, in meinem Ehrenamt, in meiner Familie,…ständig Diskussionen, Anfragen, Abfragen, Anklagen und Widerspruch aus – es wäre wahnsinnig schön, einen Ort zu haben, an dem ihr Widersprechenden, Meinungsführenden, Besserwissenden dieser Welt einfach mal durchlesen, zuhören und ansehen würdet. - Und euch dann mit den von mir geschenkten neuen Sichtweisen auf den Weg macht an einen anderen Ort, um da eure Meinung zu bilden.
Und wenn ihr mich dorthin zu einer Diskussion einladet, dann komme ich vielleicht auch – wenn ihr mich gescheit dafür bezahlt.